Die häufigsten Autoimmunerkrankungen im Überblick

Die häufigsten Autoimmunerkrankungen im Überblick

Jeder kennt jemanden mit Typ 2 Diabetes – immerhin sind knapp 8 Millionen Menschen in Deutschland von der „Zuckerkrankheit“ betroffen. Doch Autoimmunerkrankungen betreffen mit 10-15 Millionen Betroffenen weitaus mehr Menschen, als Diabetes – jedoch scheint dies deutlich seltener angesprochen zu werden. Was sind die häufigsten Autoimmunerkrankungen und wie erkennt man sie? Erfahren Sie hier die häufigsten Erkrankungen im Überblick.

Der heutige Beitrag ist von Martin Auerswald. Martin ist studierter Biochemiker, war in der klinischen Forschung im Bereich Autoimmunerkrankungen und betreut als Chefredakteur das größte Portal für Autoimmunerkrankte, das Autoimmunportal. Außerdem schreibt er auf SchnellEinfachGesund und Primal-State über schnelle und einfache Praxistipps für ein gesünderes Leben.

Was ist eine Autoimmunerkrankung?

„Autoimmunerkrankungen“ umfasst etwa 140 Erkrankungen. Diese Erkrankungen zeigen sich unterschiedlich stark und an unterschiedlichen Regionen im Körper. Was sie dennoch vereint: Das Immunsystem wird fehlgeleitet und richtet sich gegen körpereigenes Gewebe, statt gegen Eindringlinge. Es kommt zur Verwechslung – mit dramatischen Folgen: Die Immunzellen greifen den eigenen Körper an.

Das Gesundheitsplus-Shop
Gesund mit Gesundheitsplus-Shop

Je nachdem, welches Organ/Gewebe betroffen ist, manifestieren sich diese Erkrankungen unterschiedlich stark.

Vor etwa 50 Jahren wurden die wichtigsten autoimmunen Erkrankungen noch zu den „seltenen Erkrankungen“ gezählt – heute sind sie nicht nur präsenter bei den Ärzten, sondern scheinen zuzunehmen. Warum? Die einen sagen, die Diagnosemöglichkeiten werden immer besser. Die anderen weisen darauf hin, dass die Ursachen immer weiter zunehmen.

Dass Autoimmunerkrankungen durch eine Beseitigung der Ursachen positiv beeinflusst und in einigen Fällen sogar in Remission (Symptomfreiheit) gebracht werden können, unterstützt Letzteres – die Ursachen nehmen zu, und damit auch die Erkrankungen.

Was löst Autoimmunerkrankungen aus?

Was sind die wichtigsten Ursachen oder Auslöser? Und was führt dazu, dass das Immunsystem sich gegen den eigenen Körper richtet?

Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Ursachen:

  • Nährstoffmangel (Vitamin D, Vitamin A, Zink, Selen, …)
  • Darmerkrankungen wie das Leaky Gut Syndrome
  • Hormonelle Dysbalancen durch chronischen Stress, die „Pille“, Plastik und Weichmacher
  • Infektionen wie Epstein-Barr-Virus, CMV, Borreliose
  • Schwermetalle
  • Genetik (20-30 % aller Krankheitsfälle sind genetisch bedingt)
  • Ungesunde Ernährung
  • Chronische Entzündungen im Körper
Die häufigsten Autoimmunerkrankungen im Überblick
Die haeufigsten Autoimmunerkrankungen im Ueberblick

Mit Ausnahme der Genetik sind die anderen Fälle der Ernährung und Lebensführung geschuldet. Einiges können wir aktiv beeinflussen, einiges können wir nicht 100 % meiden, aber dem Körper helfen, damit umzugehen.

Studien haben gezeigt, dass mit der Beseitigung der Ursachen/Auslöser nicht nur komplementär behandelt, sondern auch vorgebeugt werden kann.

Das scheint sich in der Gesundheit generell zu zeigen: Wer gesund lebt, beugt chronischen Erkrankungen vor. Doch unsere Gesellschaft scheint sich eher in die andere Richtung zu entwickeln: Mehr Stress, mehr verarbeitete Nahrungsmittel, mehr Schwermetalle und Umweltgifte… doch das ist ein anderes Kapitel.

Nun soll es um die wichtigsten Autoimmunerkrankungen gehen und wie sie erkannt werden können:

Die häufigsten Autoimmunerkrankungen

Hashimoto Thyreoiditis

Hashimoto betrifft deutschlandweit 4-8 Millionen Menschen. Es ist eine Schilddrüsenerkrankung, bei der das Immunsystem Proteine der Schilddrüse angreift und zerstört. Es kommt zu einem schleichenden Abbau der Schilddrüse. Im Ultraschall sieht das aus, als würden sich Holzwürmer durch die Schilddrüse einen Weg bahnen. Es kommt durch die Entzündung der Schilddrüse zu einer Unterfunktion.

Wichtige Symptome: Müdigkeit, Kältegefühl, Antriebslosigkeit, Depressionen, Gewichtszunahme, erhöhtes Schlafbedürfnis, Kropf, gelegentliche Hitzewallungen, Fieber.

Antiphospholipid-Syndrom

Diese Erkrankung kennen nur die wenigsten – und doch sind 2-3 Millionen Menschen betroffen. Was passiert bei dieser schwer auszusprechenden Erkrankung?

Dabei greift das Immunsystem Proteine in der sogenannten Gerinnungskaskade an – wie Cardiolipin. Die Gerinnungskaskade führt dazu, dass Blut gerinnt, wenn ein Blutgefäß verletzt wird, etwa bei einem Schnitt in den Finger.

Durch die Autoimmunreaktion kommt es im Blut auch ohne Verletzung zu Blutgerinnseln. Dadurch steigt längerfristig das Risiko für Thrombosen, Herzinfarkt und Schlaganfälle.

Diese Krankheit ist jedoch schwer zu erkennen – bis auf die erhöhte Gerinnungsneigung merkt man nichts. Erst, wenn es zu spät ist.

Kreisrunder Haarausfall

Die häufigste Haarausfallerkrankung ist autoimmun bedingt: 2,3 Millionen Menschen sind in Deutschland betroffen. Jedoch beschränkt sich diese Krankheit auf die Haarwurzeln, es sind keine systemischen Entzündungen oder Folgebeschwerden bekannt. Was den Betroffenen jedoch nicht nützt: Die Beschwerden sind überwiegend psychisch, da Betroffene unter dem Haarausfall leiden.

Der Haarausfall kann sich auf einzelne Regionen im Gesicht oder auf der Kopfhaut beschränken, oder den ganzen Körper befallen. Die Krankheit tritt in Schüben auf und ist in hohem Maße von Stress abhängig. Es kann im Falle einer gesünderen Lebensführung und Stressreduktion zu einem Nachwachsen der Haare kommen.

Schuppenflechte

Schuppenflechte, auch als Psoriasis bekannt, ist die wichtigste Autoimmunerkrankung der Haut. Immunzellen greifen Hautzellen des Unterhautgewebes an. Dabei kommt es zur Wucherung derselben Hautzellen – entsprechend treten die typischen Symptome Hautrötung und Schuppenbildung auf.

Die Krankheit kann sich ausweiten und systemisch werden, sie wird dann als Psoriasis-Arthritis bezeichnet.

Etwa 2 Millionen Menschen sind in Deutschland von der Schuppenflechte betroffen.

Auch hier empfiehlt sich eine gesunde Lebensführung und Stressreduktion. In den meisten Fällen lassen die Symptome so schnell nach. Der Verzicht auf Genussmittel wie Kaffee, Alkohol und Nikotin sowie Gluten bringt weitere Besserung.

Neurodermitis

Bei Neurodermitis (2 Millionen Betroffene, überwiegend Kinder und Babys) streitet sich noch die Wissenschaft, ob es eine Autoimmunerkrankung ist, oder nicht. Fakt ist: Bei einigen Betroffenen sind entsprechende Auto-Antikörper nachweisbar, bei anderen nicht. Die Symptome sind jedoch dieselben.

Neurodermitis kann man sich wie Leaky Gut auf der Haut vorstellen: Die Haut ist nur dünn, mit einer geringen Schutzschicht, anfällig für Infekte von außen und für Entzündungen von innen. Sie ist dauerhaft trocken, schuppig, gereizt und schmerzt.

Wie die meisten Autoimmunerkrankungen bessert sich die Krankheit, wenn Stress und Genussmittel reduziert werden. Da Neurodermitis auch eine allergische Erkrankung ist, empfiehlt es sich, jegliche allergischen Reaktionen (Tiere, Nahrungsmittel, Umweltstoffe, Pollen) zu untersuchen und darauf zu reagieren.

Morbus Basedow

Diese Erkrankung (1 Million Betroffene) betrifft auch die Schilddrüse. Jedoch kommt es zu einer Überfunktion, die sich in typischen Symptomen einer Schilddrüsenüberfunktion zeigt:

Schwitzen, Herzrasen, Bluthochdruck, Gewichtsverlust und hervortretende Augen sind die augenscheinlichsten Symptome. Ein prominenter Betroffener ist übrigens der Sänger Heino: Mit der Sonnenbrille möchte er die Symptome an seinen Augen kaschieren – was zu seinem Markenzeichen wurde.

Morbus Bechterew

Diese rheumatische Erkrankung betrifft 1 Millionen Menschen in Deutschland. Immunzellen greifen dabei Proteine der Knorpel und Bindegewebe an, und zwar um die Wirbelsäule. Es kommt zu Wucherungen der Knochen und Knorpel an der einen Stelle, zu Knochenabbau und erhöhtem Osteoporose-Risiko auf der anderen Seite. Die Krankheit ist dadurch mit Einschränkungen des Bewegungsapparates und Schmerzen verbunden.

Betroffene können die Symptome mit einer gesunden Lebensführung und viel Bewegung (auch, wenn es schmerzt) reduzieren und dem entgegenwirken.

Rheumatoide Arthritis

800.000 Menschen leiden in Deutschland an rheumatoider Arthritis. Ähnlich wie bei Morbus Bechterew ist der Stütz- und Bewegungsapparat betroffen – jedoch liegt der Schwerpunkt bei der Innenhaut von Gelenken. Diese wird durch Immunzellen angegriffen, entzündet sich, und beginnt zu wuchern. So kommt es zur Schwellung und Verformung von Gelenken in symmetrischer Ausrichtung (links und rechts gleichermaßen betroffen).

Bei rheumatoider Arthritis hat sich eine vegan-orientierte und naturbelassene Ernährung bewährt: Damit ist gemeint, viel Fisch und Meeresfrüchte zu essen und sich ansonsten vegan zu orientieren. So werden Nahrungsstoffe ausgeschlossen, die die Krankheit anzufachen scheinen, wie Gluten und Neu5Gc (rotes Fleisch).

Typ 1 Diabetes

Die eingangs erwähnte Zuckerkrankheit gibt es auch in autoimmuner Ausprägung: Diabetes vom Typ 1. Dabei greifen Immunzellen die ß-Zellen der Bauchspeicheldrüse an und zerstören diese. Es kommt zu einem absoluten Insulinmangel, der mit Insulingaben behandelt werden muss.

800.000 Menschen betrifft diese Erkrankung. Durch eine naturbelassene und kohlenhydratreduzierte Ernährung kann der Blutzucker auch mit Insulintherapie leichter kontrolliert werden. Es empfiehlt sich außerdem ein Fokus auf eine gesunde Darmflora und die Beseitigung von Mikro-Nährstoffmängeln.

Weitere häufige Erkrankungen

  • Zöliakie (800.000 Betroffene): Autoimmunkrankheit, die durch Gluten ausgelöst wird.
  • Lupus Erythematodes (300.000): Rheumatische Erkrankung, die systemisch (Bindegewebe) oder im Gesicht auftreten kann.
  • Multiple Sklerose (250.000): Die Isolierungen der Nervenzellen (Myelinscheiden) werden angegriffen. Dabei kommt es zur erschwerten Signalübertragung und zu Lähmungserscheinungen.
  • Morbus Crohn (250.000): Chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die den gesamten Magen-Darm-Trakt befällt. Bakterien nisten sich in die Wände des Magen-Darm-Traktes ein und werden massiv bekämpft.
  • Colitis ulcerosa (250.000): Auch eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die sich jedoch auf den Dickdarm beschränkt. Es ist mit einer Immunreaktion gegen die Darmflora vergleichbar.

Fazit

Autoimmunerkrankungen betreffen unerwartet viele Menschen. Bei einigen kann es sogar sein, dass es zur Ausprägung mehrerer Erkrankungen kommt. Dies würde die These mit den Auslösern/Ursachen unterstreichen – gleichzeitig aber die Hoffnung geben, dass die Krankheiten durch eine entsprechende Lebensführung positiv beeinflusst werden können.

Die konventionelle Medizin kann meist nur die Symptome kontrollieren, aber nicht die Ursachen bekämpfen. Dank wissenschaftlicher Erkenntnisse lernen wir jedoch immer mehr über eine ursachenbezogene Therapie, mit der Betroffene ihre Lebensqualität bedeutend unterstützen können.

Weiterführende Quellen:

  • Stojanovich, Ljudmila; Marisavljevich, Dragomir (2008): Stress as a trigger of autoimmune disease. In: Autoimmunity reviews 7 (3), S. 209–213. DOI: 10.1016/j.autrev.2007.11.007.
  • Lerner, Aaron; Jeremias, Patricia; Matthias, Torsten (2015): The World Incidence and Prevalence of Autoimmune Diseases is Increasing. In: International Journal of Celiac Disease 3 (4), S. 151–155. DOI: 10.12691/ijcd-3-4-8.
  • Hayter, Scott M.; Cook, Matthew C. (2012): Updated assessment of the prevalence, spectrum and case definition of autoimmune disease. In: Autoimmunity reviews 11 (10), S. 754–765. DOI: 10.1016/j.autrev.2012.02.001.
  • Cooper, Glinda S.; Bynum, Milele L. K.; Somers, Emily C. (2009): Recent Insights in the Epidemiology of Autoimmune Diseases: Improved Prevalence Estimates and Understanding of Clustering of Diseases. In: Journal of autoimmunity 33 (3-4), S. 197–207. DOI: 10.1016/j.jaut.2009.09.008.
  • Cooper, Glinda S.; Stroehla, Berrit C. (2003): The epidemiology of autoimmune diseases. In: Autoimmunity reviews 2 (3), S. 119–125.

Foto: Anemone, pixabay